Die Eibe an der Baderei
Im Hofe der ehemaligen Baderei zu Kamenz steht eine mächtige über 400 Jahre alte Eibe um welche sich eine mystische Sage rankt. Als es im Jahre 1680 in Kamenz zum Ausbruch der Pest kam, wurde der Apotheker Gregorius für den reichlichen Wochenlohn von eineinhalb Thalern zum Pestbarbier ernannt. Seinem Gehilfen zahlte er davon einen halben Thaler in der Woche aus. Der Pestbarbier hatte die Aufgabe und das alleinige Recht den angesteckten Personen mit äußerlichen Mitteln und Hilfen an die Hand zu gehen. Die Tätigkeit rund um die Seuche war für den missgünstigen Apotheker ein lohnendes Geschäft, und so war er auf jegliche Konkurrenz schlecht zu sprechen.
Wie er erfuhr, dass der Bader aus der Badergasse verbotene Heilmittel aus seiner im Hofe stehenden stattlich gewachsenen Eibe einsetze, fasste er einen misslichen Entschluss.
In der nächsten Nacht schickte er bei geräuschvollem Regen seinen Gehilfen mit dem Auftrag den unerwünschten Baum heimlich zu fällen in den benachbarten Hof der Baderei.
Nach Mitternacht drang der Gehilfe in den Hof ein und kroch unter die durch den Regen tropfende Eibe, um sie auftragsgemäß umzubrechen. Er setzte mit Vorsicht und Geschick die Säge an, verlor aber im nächsten Moment die Sinne. Im Fieber erschien ihm eine weißbetuchte Fee, welche aus dem Eibenbaum hinabgestiegen kam. Die blasse anmutige Frau gemahnte ihn von seiner Tat abzulassen.
Daraufhin legte sie ihre kühlen Hände auf seine heiße Stirn und flüsterte ihm leise ins Ohr: „Wache auf, wache auf und geh Heim. Lässt du mich leben, so wird der schwarze Tod deine Stadt bald für immer verlassen."
Benommen und schweißgebadet erwachte der Gehilfe unter der Eibe. Ohne sein Werkzeug zu greifen verließ er voller Angst und Schrecken den fremden Hof, sodass er völlig durchnässt um die fünfte Stunde im ersten Licht des Tages zu Hause eintraf. In diesem Zustand, mit rasendem Herzen und pochendem Kopf machte er auf den Apotheker einen recht verwirrten Eindruck. Im Ärger über das gescheiterte Vorhaben und das verlorene Werkzeug schenkte der Apotheker der Erzählung seines Gehilfen keinen Glauben.
Doch die Visionen des Gehilfen bewahrheiteten sich und die Stadt Kamenz wurde seitdem von der Pest verschont.